Mein Westweg – 4. Etappe von Unterstmatt zum Schliffkopf (ca. 19,6 km)

Montag, 2. Mai 2022

Beim Aufwachen weiß ich sofort, warum mein Zimmer den Namen „Sonnenaufgang“ hat. Toll, so geweckt zu werden. 

Ein herrlicher Start in den Tag

Ich gehe gleich runter in den Gastraum um zu frühstücken. … und siehe da, zwei bekannte Gesichter begrüßen mich freundlich. „Kräusellocke“ und „Orangenes T- Shirt“ sitzen schon an ihrem Frühstückstisch.

Nach dem Frühstück komme ich mit der Dame hinterm Tresen ins Gespräch und erfahre, dass wir drei in dieser Nacht wohl die einzigen Übernachtungsgäste waren. Schade, denn „Kräusellocke“ und „Orangenes T- Shirt“ werde ich heute wohl zum letzten Mal sehen. Die beiden laufen viel schneller als ich und ich habe meine heutige Etappe etwas gekürzt, da ich auf dem Schliffkopf übernachten und nicht bis zum „offiziellen“ Etappenende an der Zuflucht bzw. Alexanderschanze laufen werde. Dafür werde ich die paar mehr Kilometer morgen früh laufen müssen. Das wird mir noch zum Verhängnis… aber zum Glück weiß ich heute noch nichts davon.

Na dann… los geht’s.

Auf die heutige Etappe habe ich mich schon riesig gefreut. Zum Einen, weil es zur Hornisgrinde hoch geht und ich schon viel über den Berg gelesen habe und zum Anderen, weil direkt von der Hornisgrinde der Abstieg zum sagenumwobenen Mummelsee auf der „Tagesordnung“ steht.

Die Hornisgrinde ist mit 1164 m Höhe der höchste Gipfel des Nordschwarzwaldes. Ihr Bergrücken erstreckt sich in Nord-Süd-Ausrichtung und ist ca. 2 km lang.

Aber was bedeutet denn das Wort „Grinde“ überhaupt? Kahle hochmoorige Hochflächen und Bergkuppen des Nordschwarzwaldes werden als Grinden bezeichnet. Das althochdeutsche Wort „grind“ bedeutet in etwa „kahler Kopf“. Typische Pflanzen solcher Grinden sind Heidekraut, Wollgras, Borstgras, Heidelbeere und Preiselbeere und auch Latschenkiefern.  

Der Weg führt mich von meiner Unterkunft weg, direkt am danebenliegenden Skilift vorbei, in den Wald hinein. Es geht ein ganzes Stück auf einem schmalen Pfad bergauf.

Sehr schön zu laufen

Auf einmal höre ich ganz leise Musik. Was? Musik? Früh morgens im Wald? Leise Bässe wummern mir entgegen. Ich denke, ich höre nicht recht. Wer ist denn so früh schon auf dem Abstieg von der Hornisgrinde? Die Musik wird lauter. Es sind französische Liedtexte, wie ich erkennen kann. Auf einmal kommt mir ein gutgelaunter Franzose entgegen. Grüßt freundlich und verschwindet wieder. Er muss wohl in einem Zelt auf der Hornisgrinde übernachtet haben. Sein Gepäck sah sehr nach Zelt und Schlafsack aus.

Sehr idyllisch

Ich komme an dem Wanderheim Ochsenstall vorbei. Es geht weiter im Wald berghoch und ich lande auf einer „Wanderautobahn“. Ein breiter Geröllweg liegt vor mir. Oh weh. Hoffentlich ist der bald wieder zu Ende. Solche Wege mag ich ja überhaupt nicht.

„Wanderautobahn“

Zum Glück komme ich recht schnell wieder auf einen schmaleren Pfad und der Fernsehturm, der auf dem Bergrücken der Hornisgrinde steht, kommt in mein Sichtfeld. Ein kleines Schneefeld kann ich auch in einiger Entfernung sehen.

Rechts der über 200m hohe Sendemast, links im Hintergrund das Schneefeld

Oben beim Fernsehturm angekommen befinde ich mich bereits auf der Hochfläche. Es windet hier ziemlich. Keine gute Voraussetzungen für gelungene Selfies…

Wind in meinem Haar 😊

Der Weg führt links am Sendemast vorbei in ein kleines Wäldchen. Es geht nochmal ein kleines Stück nach oben. Dann erreiche ich den Bismarckturm – an der höchsten Erhebung auf der Hornisgrinde. Der 8m hohe Turm wurde 1840 erreichtet und bietet eine schöne Aussicht.

Vom Bismarckturm aus geht es einige Meter weiter auf dem Hochplateau zum Hornisgrindeturm. Auf dem Weg dorthin kann man schön das Hochmoor bestaunen. Dazu gibt es auch eine erklärende Schautafel.

Leider ist der Hornisgrindeturm zur Zeit wegen Corona geschlossen. Das Restaurant, das sich direkt daneben befindet, hat heute (Montag) leider Ruhetag.

Am Hornisgrindeturm

Ich setze mich an einen der vielen Picknicktische und mache eine kurze Trinkpause. Die Aussicht ist toll.  

Danach nehme ich den ca. 30-minütigen Abstieg Richtung Mummelsee in Angriff. Leider verpasse ich den Abzweig zum Aussichtspunkt kurz unterhalb des Hornisgrindeturms von dem aus die bekannten Bilder mit Blick auf den See und das Hotel gemacht werden. Dafür ergattere ich ein schönes Plätzchen in einem der beiden Holzhäuschen, die direkt am See stehen, mit Liege und wunderbaren Blick auf den Mummelsee.

Ein schönes Plätzchen für eine Vesperpause…
…mit Blick auf den Mummelsee und den Hornisgrindeturm

In dem Souvenirladen, der im Untergeschoss des Hotels untergebracht ist, bin ich dann doch ganz kurz „Touristin“ und lasse mich dazu hinreißen, ein paar Kleinigkeiten zu kaufen…

Oh weh… noch mehr Gewicht in meinem Rucksack

Ich gehe einmal um den See herum. Will ich doch die kleine Nixe am gegenüberliegenden Seeufer ansehen. Es ranken sich sehr viele Sagen um den Mummelsee und um die in ihm wohnenden Nixen.

Die Nixe am Mummelsee

Da der Mummelsee direkt an der Schwarzwaldhochstrasse liegt, ist er einer der meistbesuchten Seen in Baden-Württemberg. Heute wird er zwar auch von vielen Touristen bestaunt, jedoch hält sich der Besucherandrang zum Glück in Grenzen. Trotzdem verlasse ich den See schweren Herzens nach meinem Rundgang und erreiche direkt meine nächste Stempelstelle und damit das nächste Westwegtor.

Der nächste Kilometer führt ziemlich parallel zur viel befahrenen Schwarzwaldhochstrasse hinunter zum „Seibelseckle“. Oh nein… Ich traue meinen Augen kaum… es geht den Skihang hoch. Skihang, das heißt sehr steil. Doch zum Glück muss ich nicht den kompletten Hang hoch, denn der Weg biegt nach rechts in den Wald ab.

Blick zurück: links das Hotel am Mummelsee und in der Bildmitte der Hornisgrindeturm

Ich komme wieder auf einen breiten Forstweg, der mich direkt zur Darmstädter Hütte führt. Da ich schon am Mummelsee eine etwas längere Rast gemacht habe, laufe ich an der Darmstädter Hütte nur vorbei. 

Vor der Darmstädter Hütte geht der Weg nach rechts in ein kleines Latschenkiefernwäldchen. Kaum in das Wäldchen eingetaucht, höre ich ihn dann zum ersten Mal ganz bewusst… Erst leise und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mich nicht doch verhört habe. Doch dann ertönt der Schrei etwas lauter. Und dann noch einer und noch einer. Kuckuck! Kuckuck! Begeistert bleibe ich stehen und lausche. Kuckuck! Außer mir ist nur noch ein anderer Wanderer in der Nähe. Ich genieße also mein Privatkonzert. Doch leider muss ich weiter – hab heute noch ein paar Kilometer vor mir. 

Ich bin so beschwingt durch die Kuckucksrufe, dass ich meinen Weg ohne Mühe weiter laufe bis zum „Eutinggrab“. Dort ist die Urne von Professor Dr. phil. Julius Euting (deutscher Bibliothekar und Orientalist) beigesetzt.

Von dort oben hat man einen tollen Blick auf den Wildsee. Einen Abstieg zum Wildsee erspare ich mir. Der Weg hinunter soll sehr steil und anspruchsvoll sein. Und einmal unten angekommen, muss man ja auch wieder hoch, um auf den Westweg zurück zu kommen. Doch der Wildseeblick von der Grabstätte aus ist auch sehr schön.

Tief unten liegt der Wildsee (ein sogenannter Karsee)

Der weitere Weg führt mich erst über den Seekopf und dann in Serpentinen zum Ruhestein hinunter. Beim hinunter laufen denke ich noch „Hoffentlich muss ich auf der anderen Seite nicht wieder hoch…“, denn dort sieht es sehr steil aus -oben auf der Erhöhung steht eine Skisprungschanze. Doch erstmal schaue ich mich unten am Ruhestein in einem Verkaufsladen etwas um, bevor ich… oh Graus… auf der anderen Seite zur Skisprungschanze hoch laufen muss.

Blick auf den Ruhestein, mit Skisprungschanze im Hintergrund

Durch eine herrliche Hochmoorlandschaft hindurch, gelange ich zum Gipfel des Schliffkopfs. Der Schliffkopf (1055m) bietet eine tolle Aussicht.

Bald habe ich mein Tagesziel erreicht, denn heute lasse ich es mir gut gehen. Ich habe ein Zimmer im Vier-Sterne-Hotel „Schliffkopf“ reserviert und am Abend wartet ein fünfgängiges Menü auf mich. Herrlich…

Doch als ich mich dem Hotel nähere, wird mir auf einmal bewusst, dass ich wohl doch etwas exotisch inmitten des restlichen Klientels des Hotels bin. Schon als ich ums Eck des Gebäudes laufe, werde ich von zwei älteren Damen, die auf ihrem Zimmerbalkon sitzen, sagen wir mal „näher betrachtet“. Den beiden Damen fallen fast die Augen aus dem Kopf… Ok, ich sehe mit dem großen Wanderrucksack, den Wanderstiefeln und dem sonstigen Wanderoutfit auch nicht wirklich unbedingt so aus, wie wenn ich hier her gehören würde. Aber reserviert ist reserviert.

Ich laufe zielstrebig ins Hotel und an die Rezeption. Auch der Herr an der Rezeption schaut etwas pikiert. „Können wir Ihnen irgendwie weiterhelfen?“ – „Ja, bestimmt. Ich habe hier ein Zimmer reserviert.“ – „Oh, natürlich!“ Auf einmal wird alles viel freundlicher und ich werde gefragt, wohin ich unterwegs bin. Ich erzähle, dass ich den Westweg wandere. Der jetzt doch sehr nette Herr von der Rezeption wendet sich an einen Kollegen, der etwas abseits an einem PC sitzt: „Das wäre doch auch was für dich.“ Aber der andere Kollege hat es eilig und muss los.      

Hier im Hotel gibt es eine Bar und ein Schwimmbad. Nach dem Essen werde ich mich mal auf die Socken machen und alles anschauen.

Das Zimmer ist sehr groß und hat einen Balkon mit herrlichem Ausblick.

Ausblick vom Balkon
Endlich mal ein angemessenes Abendessen  😉

Das Abendessen ist sehr lecker und ich lasse mir meine fünf Gänge und den dazu gehörigen Wein schmecken. Als Starter gibt es eine Currycreme. Erster Gang sind Gurkenröllchen gefüllt mit Fetakäse auf Feldsalat. Danach kommt eine sehr leckere Kartoffelcremesuppe mit Croûtons, bevor es mit einem gemischten Salat weitergeht. Der nächste Gang ist eine geschmorte Kaninchenkeule in Rotweinsauce mit Broccoli und Spätzle. Zum Abschluss gibt es noch ein Vanilleeis an Schwarzwälder Beerengrütze. Wirklich sehr lecker.

Nach so viel Schlemmerei beschließe ich noch, im Schwimmbad ein paar Runden zu drehen. Anscheinend ist nach dem Essen keiner außer mir mehr in der Stimmung ins Schwimmbad zu gehen, denn ich habe das Bad ganz für mich alleine.

Nach meinem ausgiebigen Geplansche gehe ich noch in die Bar um mir einen Cocktail zu gönnen. Wenn schon, denn schon… Außer mir ist nur noch eine Gruppe von ca. sechs Leuten an einem der hinteren Tische anwesend. Ich komme mit dem ungarischen Barkeeper ins Gespräch. Er war derjenige, der vorhin an der Rezeption saß, aber leider keine Zeit für ein Gespräch hatte. Wir reden noch ein bisschen über Wanderungen im Allgemeinen und den Westweg im Speziellen. Er wollte wohl, genauso wie ich, auch mal den Jakobsweg laufen.

Ein sehr schöner und ereignisreicher Tag geht zu Ende. Morgen habe ich viele Kilometer vor mir. Der Weg zum Harkhof wird lang. Jetzt aber erst einmal… gute Nacht.

Mein Westweg – 3. Etappe von Forbach nach Unterstmatt (ca. 21,4 km)

Sonntag, 1. Mai 2022

Als wir aufstehen, geht es mir schon wieder besser. Die Schmerzen in den Knien und im Oberschenkel sind weniger geworden und mein Kreislauf ist auch wieder stabil.

Nach einem stärkenden Frühstück geht es direkt am Hotel los. Die Holzbrücke – das Wahrzeichen von Forbach (305m) – befindet sich unmittelbar neben dem Hotel.

Ich verabschiede mich von Clemens. Wir sehen uns aber schon am Mittwoch wieder.

Erst einmal geht es quer durch den Ort und auf der anderen Seite eine Anwohnerstraße wieder hoch.

Auf Asphalt laufen macht so gar keinen Spaß. Aber Pflastersteine sind noch viel schlimmer. Bald endet der gepflasterte Weg zum Glück und es geht ein sehr steiles Stück bis zur Marienkapelle hinauf. Hier am Ortsrand geht es auf einem Schotterweg weiter in den Wald hinein.

Nun geht es noch steiler bergauf. Aber der Weg ist schön. Ein toller und schmaler Waldweg mit viel Wurzelwerk und Steinen. Solche Wege wandere ich am Liebsten. Das macht richtig Spaß. Auf diesem Serpentinenweg gewinne ich auch rasch an Höhe.

Kurze Zeit später erreiche ich die Wegscheid-Hütte auf 745m. Eine nette kleine Hütte mit neu angelegtem Rastplatz mit mehreren Tischen und Bänken. Die Hütte ist zwar klein, aber man kann in ihr auch übernachten. Über eine Leiter gelangt man in das „Dachgeschoß“.

Ich komme wieder auf einen Schotterweg, der mich ‐vorbei an einigen Brunnen und kleinen Bächen‐ an die Schwarzenbachtalsperre (675m) bringt.

Da heute der erste Mai ist und somit traditionell viele Wanderer unterwegs sind, bin ich heute auf den Wegen nicht ganz so einsam – obwohl das Wetter etwas besser sein könnte. Trotzdem kann man diese tiefe Stille im Wald genießen. Das ist einfach unbeschreiblich.

An der Schwarzenbachtalsperre

Es geht ein Stück am „Seebach“ entlang. Es blubbert, rauscht und plätschert neben mir. Der Seebach schlängelt sich bergab Richtung Schwarzenbachtalsperre. Das heißt für mich, es geht mal wieder bergauf.

Alte Brücke über den Seebach

Der Westweg zweigt vom Seebach ab. Es geht einen sehr steilen und mit großen Geröllsteinen aufgefüllten Weg hinauf Richtung Zweiseenblick. Leider geht der Westweg nicht direkt am Herrenwiesersee vorbei. Aber vom Aussichtspunkt Zweiseenblick aus kann man ihn erahnen.

Es geht weiter den Berg hinauf. Ich gelange recht schnell zum „Bussemer Gedenkstein“(1001m). Juchu! Somit habe ich gerade eben das erste Mal die 1000-Meter-Marke geknackt. Doch wem oder was gedenken wir da? Phillip Bussemer war einer der beiden „Väter des Westwegs“. Zusammen mit Julius Kaufmann erkundete und markierte er bereits im Jahr 1900 den Höhenweg (Westweg) von Pforzheim nach Basel.

Die Landschaft wird karg. So kenne ich den Schwarzwald bisher nicht. Es geht auf einer recht ebenen und geraden Strecke Richtung Badener Höhe (1002m).

Auf der Badener Höhe mache ich erst einmal Vesperpause. Hier ist dann doch ziemlich viel los und ich setze mich abseits auf ein Bänkchen und schaue dem stetigen Kommen und Gehen zu.

Die Hornisgrinde überquere ich morgen. Darauf freue ich mich schon riesig.

Die Badener Höhe ist der Höchste Punkt von Baden-Baden. Der dort 1891 erbaute Friedrichsturm wurde nach dem Großherzog Friedrich I. von Baden ernannt.

Den Turm besteige ich auch heute nicht. Es ist etwas diesig, trotzdem steigen viele Leute die enge Treppe hoch. Aber meine Knie sind nicht ganz so begeistert von der Idee. Das passt ja… ich bin eh nicht so der Fan von hohen Türmen. 🤭

Nach meiner Vesperpause führt mich der Weg wieder etwas bergab und ich komme zum Naturfreundehaus Badener Höhe (875m).

Naturfreundehaus Badener Höhe

Da ich gut in der Zeit liege und ich gerade sowieso Lust auf einen Kaffee habe, kehre ich im Naturfreundehaus ein. Außer mir sind nur sehr wenige andere Gäste dort und so kann ich mich in Ruhe umsehen.

Kaffeepause im Naturfreundehaus Badener Höhe

Nach der kurzen Kaffeepause geht es weiter zu den wenigen Häusern von dem Örtchen Sand (826m). Von dort aus geht es parallel zur viel befahrenen Schwarzwaldhochstrasse auf einem Forstweg weiter.

„Zimmer frei“…??

Heute sind unwahrscheinlich viele Motorradfahrer auf der Schwarzwaldhochstrasse unterwegs. Ich bin schon nach den ersten paar Motorrädern so genervt, dass ich anfange zu schimpfen wie ein Rohrspatz. Normalerweise stören mich die Zweiräder nicht so sehr. Habe ich doch selber erst vor wenigen Tagen meinen Zusatzschein zum Führerschein gemacht. Doch heute ist das laute Röhren der Maschinen ein allzu krasser Gegensatz zu der tiefen Stille im Wald von heute Morgen.

Nun geht es wieder steil berghoch auf den Hochkopf (1039m) und ich laufe zum Glück nicht allzu lange an der Schwarzwaldhochstrasse entlang.

Durch das Hochmoor des Hochkopfs führt ein mit flachen Steinen ausgelegter schmaler Pfad. Solche Grindenflächen kannte ich bisher nicht. Ich bin fasziniert von der Landschaft, die sich von meinem bisherigen Bild des Schwarzwaldes so sehr unterscheidet.

Dort oben im Hochmoor habe ich auch eine herrliche Sicht auf meine morgige Aufgabe: die Hornisgrinde (1164m).

Hochmoor mit Blick auf die Hornisgrinde

Nun ist es nicht mehr weit bis zu meinem Etappenziel. Ich erreiche Unterstmatt (927m). Mein Zimmer im Gasthof „Zur großen Tanne“ ist sehr schön. Das Abendessen deftig und genau das, was ich nach meiner heutigen Wanderung gebrauchen kann.

Guten Appetit 😋

Als ich die Gaststube betrete, lächeln mir zwei bereits bekannte Gesichter entgegen. „Kräusellocke“ und „Orangenes T-Shirt“ sitzen am Nachbartisch und lassen es sich auch schmecken. Die beiden sind mir heute auf der Strecke gar nicht begegnet. Sie müssen also die ganze Zeit vor mir gelaufen sein.

Ein kurzer Abendspaziergang um die wenigen Häuser herum wird mit einem tollen Sonnenuntergang belohnt.

Nachdem ich ja nun seit ein paar Tagen jeden Tag auch „Waschtag“ habe, widme ich mich nach dem Essen meiner täglichen Aufgabe. Gar nicht so einfach. Das Waschbecken hier ist sehr klein und hat keinen Stöpsel. Trotzdem gelingt es mir irgendwie.

So… Zeit sich auszuruhen.

Gute Nacht!

Mein Westweg – 2. Etappe von Dobel nach Forbach (ca. 28,4 km)

Samstag, 30. April 2022

Heute ist es sehr neblig und es regnet. Deshalb werfe ich gleich am Hotel den Regenponcho über. Das „Sonnentor Dobel“ (695m) -eines der Westweg-Portale- steht in unmittelbarer Nachbarschaft des Hotels.

Zum Glück bin ich nicht aus Zucker 😉

Der Weg führt an dem kleinen, aber feinen Kurpark von Dobel entlang hinauf zum Wasserturm.

Sehr bald erreiche ich den Wald. Es geht auf einem schönen Waldweg an Ruhebänken vorbei, die in der Art von Flaggen verschiedener Länder angestrichen sind.

Sieht echt toll aus.

Bald bin ich auf Schotterwegen unterwegs. Laut Wanderführer sollten sich hier nun schöne Ausblicke auf Bad Herrenalb und ins Rheintal bieten. Doch ich bekomme davon leider nichts mit. Teilweise kann ich in dem Nebel nur etwa zehn bis 20m weit sehen.

Auf einmal tauchen hinter mir im Nebel zwei „Gestalten“ auf. Da mich mein Regenponcho in meiner „Rund-um-Sicht“ ziemlich einschränkt, erkenne ich sie erst als sie dicht hinter mir sind. Ich erschrecke ein bisschen, da mir heute bei diesem miesen Wetter noch kaum andere Wanderer oder Radfahrer begegnet sind. Doch die beiden grüßen freundlich und überholen mich recht zügig. „Na klar“, denke ich „die haben ja auch kaum Gepäck dabei. Bestimmt irgendwelche Wanderer, die nur eine Tagestour machen.“ Doch als ich genauer hinschaue fällt mir auf, dass ich die beiden schon einmal gesehen habe. Der Mann mit seinem orangefarbenen Oberteil und die Frau mit den lustigen grauen Kräusellocken, die englisch miteinander gesprochen haben, sind mir heute Morgen beim Frühstück im Hotel aufgefallen. So trifft man sich wieder. 🙂

Kurze Zeit später erreiche ich den Panoramapunkt „Schweizerhütte“ und bin doppelt enttäuscht. Zum einen, weil diese bereits von vier Männern besetzt ist, die dort einen Frühschoppen eingelegt haben, daher möchte ich hier keine Pause einlegen. Zum anderen bin ich enttäuscht, da man von hier aus wohl bei schönem Wetter eine grandiose Aussicht hat. Na ja… muss ich halt wann anders mal wieder her kommen. 😉

Schweizerhütte

Ich laufe also weiter. Irgendwo muss es doch ein trockenes Plätzchen für meine Vesperpause geben… und tatsächlich bin ich kurze Zeit später an der „Hahnenfalzhütte“ auf Höhe von 876m.

Mein trockenes Vesper-Plätzchen an der Hahnenfalzhütte

Nach einer kleinen Stärkung geht es weiter. Das Laufen auf der Schotterpiste macht mir zusehends immer weniger Spaß. Wenn es wenigstens eine Aussicht gebe…

Bizarre Baum-Silhouetten im Nebel sind das einzige, was etwas Abwechslung schafft.

Gespenstisch 👻

Der Weg führt aus dem Wald hinaus. Ich komme an dem im Winter von Skifahrern sehr beliebten Örtchen Kaltenbronn (869m) vorbei. Zwei Augenpaare schauen mich aus dem Nebel heraus an. Da mir heute noch wirklich nicht viele Lebewesen begegnet sind, freue ich mich über die beiden Esel, die auf einer Weide grasen.

Falls jemand den zweiten Esel sucht… ganz rechts am Bildrand.

Hinter Kaltenbronn geht es wieder in den Wald. Es folgt ein sehr steiler Anstieg entlang des Wildbachs.

Ich stöhne… wer hatte eigentlich diese fixe Idee diesen „Mist“ hier zu machen? Ich hab doch Urlaub! Ich könnte eigentlich auch ganz entspannt am Strand liegen… Ach so. Das war ja ich. Ich wollte unbedingt den Westweg entlang wandern… Na gut. 😊

Oben am Hohlohsee angekommen werde ich für meine Strapazen belohnt. Die Sicht ist zwar immer noch „vernebelt“ und ich kann den See nur erahnen, aber es umgibt mich eine friedliche Stille. Auf dem Bohlensteg geht es durch das moorige Gebiet. Außer dem Gezwitscher einiger Vögel und dem Hämmern eines Spechts ist hier nichts, absolut nichts zu hören. Ich genieße diese friedvolle Ruhe. Es ist so schön.

Am Hohlohsee

Der Aussichtsturm Hohloh (986m) taucht hinter dem See plötzlich aus dem Nebel auf. Hoch gehe ich nicht. Lohnt sich bei diesem Nebel ja wirklich nicht und meine Füße flüstern mir leise zu, dass ich das bitte, bitte sein lassen soll. Wobei man an schönen Tagen wohl bis in die Vogesen sehen kann. Schade…

Kaiser-Wilhelm-Turm / Aussichtsturm Hohloh

Ich merke, dass sich langsam aber sicher der Nebel etwas auflöst. Die Sicht wird besser. Unterhalb vom Weg kann ich sogar einen kurzen Blick ins Tal erhaschen. Ich freue mich wie ein Honigkuchenpferd. Mal etwas anderes sehen, als nur dieses weiße undurchsichtige Etwas.

Clemens ruft mich an. Er ist zwischenzeitlich in Forbach angekommen. Tagsüber hat er ein kurioses Museum in Marxzell besucht und sich in Baden-Baden ein bisschen umgeschaut.

In unserem Hotel in Forbach konnte er schon einchecken und ist nun auf der Suche nach einem Restaurant. Wir telefonieren also und besprechen die Lage… Ich hab nur noch 4 km bis Forbach. Das ist zu machen. Aber ich weiß, dass diese letzten Kilometer bergab gehen. Im Wanderführer steht, dass es sich um einen „alpin anmutenden Bergweg“ handelt. Nun gut, dann mache ich mich eben langsam und mit viel Spucke an den Abstieg. Wir verabreden, uns in Forbach zu treffen und beenden unser Telefonat.

Kurze Zeit später denke ich, dass ich doch nun endlich noch an einem der Highlight des heutigen Tages vorbei kommen müsste… Seltsam. Kurz auf Komoot geschaut… Ich bin direkt daran vorbei gelaufen und hab es gar nicht bemerkt! Das gibt es doch nicht. Wahrscheinlich habe ich während des Telefonats nicht aufgepasst. Mist! Was tun? Zurück, den Berg wieder hoch? Weiter laufen? Irgendwann nochmal kommen? Nein! Wer weiß, ob ich das jemals machen werde…

Also wieder den Berg hoch. Aber es lohnt sich. Als ich am Latschigfelsen (726m), meinem Highlight, ankomme ist die Sicht großartig. Der Nebel ist weg und ich habe einen tollen Blick ins Murgtal. Ich kann jetzt erahnen, welche tollen Aussichten mir heute tagsüber durch den Nebel leider verwehrt blieben.

Aussichtskanzel auf dem Latschigfelsen

Nun geht es durch den Wald steil den Berg hinunter. Als ich aus dem Wald heraus komme und an den ersten Obstwiesen vorbei wandere, gelange ich an den Hexenbrunnen.

Hexenbrunnen

Hinter dem Brunnen geht es eine steile Böschung wieder hoch und nochmals an Obstwiesen vorbei. Mit Aussicht läuft es sich auch gleich viel beschwingter.

Ich kann einen ersten Blick auf Forbach werfen. Doch der Abstieg macht mir langsam echt zu schaffen. Die Füße brennen und mein linker Oberschenkel zeigt mir mittlerweile seinen virtuellen Mittelfinger. Meine Knie sind sich noch nicht ganz so sicher, was sie von der ganzen Aktion „Westweg“ halten sollen. Sie sind noch unentschlossen und deshalb noch etwas verhalten in der Reaktion zu diesen beiden ersten Tagen. Ein Glück.

Forbach

Ich hab noch ein paar Höhenmeter bergab vor mir. Als ich das nächste Westweg-Portal erreiche wartet da schon Clemens auf mich. Er macht noch ein paar Fotos von mir und dem Tor.

Zum Glück sieht man nicht, wie k.o. ich war.

Clemens bietet mir an, mich die letzten Meter zum Hotel zu fahren. Aber das möchte ich nicht. Ich will jeden verfl… Meter selber laufen. Ich schleppe mich die letzten Meter Richtung Hotel, das direkt neben der Sehenswürdigkeit von Forbach (305m) steht – die historische Holzbrücke über die Murg.

Die historische Holzbrücke ist die größte ihrer Art in Europa und Wahrzeichen der Gemeinde Forbach. 1778 wurde sie erstmals errichtet. 1954/55 wurde sie originalgetreu nachgebaut.

Als ich im Hotel ankomme und die Treppe zum Zimmer hoch laufen möchte streiken meine Knie dann doch. Mist. Das tut ziemlich weh.

Abends gehen wir noch im hoteleigenen Restaurant etwas essen. Direkt neben der Eingangstüre sitzen meine beiden „Nebelgestalten“ (orangenes Shirt und Kräusellocken) an einem Tisch und grinsen mich an. Ich mache gerade wohl keinen guten Eindruck, wie ich ins Restaurant rein humpele.

Etwas später, als wir unser Essen schon bekommen haben, spielt dann auch noch mein Kreislauf verrückt. Mir wird schlecht und gleichzeitig schwarz vor Augen. Zum Glück kann ich mich auf die Eckbank legen, auf der ich gerade noch saß. Einige Minuten später geht es mir zum Glück besser. Was bitte war das? Ich werde bestimmt nicht nach dem zweiten Tag mein Vorhaben abbrechen. Erstmal ausruhen. Morgen sehen wir weiter…

Gute Nacht…

Mein Westweg – 1. Etappe von Pforzheim nach Dobel (ca. 27,7km)

Freitag, 29. April 2022

Endlich geht es los und ich kann in diesem Jahr den Westweg wandern. Ich bin voller Vorfreude, aber auch Zweifel, ob ich das auch schaffen werde. Wir werden sehen.

Erst einmal geht es mit dem Zug nach Pforzheim. Vom Bahnhof aus erreiche ich mit dem Bus den Startpunkt des Westwegs, die „Goldene Pforte“. Natürlich hätte ich die gut zwei Kilometer dorthin auch zu Fuß gehen können. Doch heute erwarten mich sowieso noch viele Kilometer auf dem Westweg und das Laufen in der Stadt und auf dem Asphalt erspare ich mir lieber.

Am Kupferhammer in Pforzheim (252m) starten alle drei Fernwege durch den Schwarzwald: der Ostweg, der Mittelweg und der Westweg.

Der Westweg wurde bereits im Jahr 1900 angelegt und auch damals schon durch die rote Raute markiert. Er ist der älteste Fernwanderweg.

Am Portal „Goldene Pforte“ hole ich mir meinen ersten Stempel für meine Stempelkarte. Ich hoffe, dass ich diese in den nächsten zwei Wochen mit möglichst vielen Stempeln voll bekomme.

Also: Los geht’s!

Hinter der „Goldenen Pforte“ geht es einige Stufen hinauf in den Wald. Ich gewinne schnell an Höhe. Es geht an Schrebergärten vorbei nach Dillweißenstein. Dann geht es wieder auf einen Forstweg, der mich zum  Tornadogedenkstein (340m) bringt.

Der Gedenkstein erinnert an einen Tornado, wie er in Europa äußerst selten vorkommt. Am 10.07.1968 gegen 21.30 Uhr richtete dieser Tornado große Verwüstungen bei Pforzheim an.

Hier treffe ich eine Kindergartengruppe. Ich komme mit einer Erzieherin ins Gespräch. Als sie erfährt, dass ich bis Basel laufen möchte, bekomme ich auch gleich einen Auftrag von ihr mit auf den Weg. Ein Mädchen aus ihrer Gruppe zog vor einigen Wochen mit ihren Eltern nach Basel und ich soll ihr liebe Grüße ausrichten. Ich verspreche den Kindern Lina in Basel zu grüßen, sobald ich dort bin. Also bleibt mir ja gar nichts anderes übrig, als den Westweg durchzuziehen. 😉

Nun geht es ein langes Stück die Enz flussaufwärts. Es ist eine sehr schöne Strecke, wenn auch auf breitem Schotterweg. Der Flusslauf der Enz ist sehr eindrucksvoll und ich versuche das zu fotografieren. Merke aber sehr schnell, dass dieses Naturschauspiel auf Bildern leider überhaupt nicht zur Geltung kommt.

Vor mir kommt eine Baustelle. Ich werde wohl eine Umleitung laufen müssen. Zwei Männer kommen mir entgegen, die mir einen Tipp geben, wie ich die Baustelle am besten umwandere.

Ich erreiche eine kleine „Brücke“ über einen Enz-Zufluss.

Herrlich! 😃

Nun geht es sehr lange bergauf und ich erreiche Schloss Neuenbürg (429m). Eine alte und verfallene Anlage grenzt an das neuere Schloss. Hier oben gibt es auch ein Museum über das Märchen „Das kalte Herz“. Doch leider muss ich weiter. Es geht eine gefühlte Ewigkeit bergab nach Neuenbürg auf Pflastersteinen. Mein rechtes Knie meldet sich das erste Mal. Es findet die Aktion gar nicht gut.

Ich durchquere den Ort und auf der anderen Seite geht es eine sehr steile Sackgasse wieder bergauf und dann verläuft der Weg in den Wald.

Blick zurück auf Schloss Neuenbürg

Es geht am Waldrand entlang Richtung „Schwanner Warte“. Ich komme am Schützenhaus Schwann vorbei.

Doch leider hatten sie nicht geöffnet.

Dann erreiche ich die „Schwanner Warte“ (480m). Leider ist es etwas diesig und man kann nicht allzu weit sehen.

Schwanner Warte

Der Weg geht an Dennach (620m) vorbei. Ich werde das Gefühl nicht los, als ob ich schon den ganzen Tag nur berghoch laufe… na gut… nicht den ganzen. Aber fast. 😉 Da erreiche ich ein Schild mitten im Wald:

Wenn ich schon gefühlt den ganzen Tag bergauf laufe, dann muss ich ja irgendwann mal „Oben“ ankommen.

Es geht am „Volzemer Stein“ (680m) vorbei. Ein Felsengewirr am Wegrand.

Volzemer Stein

Es geht noch kurz über ein Feld, dann bin ich in Dobel (695m). Dort wartet schon mein Lebensgefährte auf mich. Wir müssen noch einmal quer durch den Ort bis zum Hotel.

Da aber das nächste Westwegtor in der Nähe des Hotels auf mich wartet, machen wir einen Abstecher dorthin. Direkt daneben sind Zelte für ein Maibaumfest aufgestellt und wir können dort noch etwas essen und trinken. Dobel bietet in Bezug auf Restaurants leider kaum Möglichkeiten.

Dann checken wir im Hotel ein. Ein total witziges Zimmer wartet auf uns. Ich finde es klasse. Müde und total glücklich schlafe ich recht schnell ein.

Ein schöner und ereignisreicher Tag geht zu Ende. Viele Passanten haben mich angesprochen, ob ich den Westweg laufe und bis wohin. Es haben sich kleinere oder etwas größere interessante Gespräche daraus entwickelt. Fazit: Der Start auf den Westweg war toll.

K.o., aber glücklich

Mein Westweg 2022

Nächstes Wochenende geht es endlich los. Dieses Jahr laufe ich den Westweg von Pforzheim nach Basel. 285 km… und das in 14 Etappen.

Vorfreude ist die schönste Freude 😊

Je näher mein Starttermin kommt, umso mehr Respekt bekomme ich vor dem ganzen Vorhaben. Doch die Vorfreude überwiegt. 😃

Ich hoffe, dass ich auch genügend Zeit finden werde, um meinen Blog wieder aufleben zu lassen. Zumindest habe ich vor über meine einzelnen Etappen zu berichten… falls ich nicht doch jeden Abend todmüde ins Bett fallen sollte… Mal schauen. 😊

Also, bis bald, wenn es hier wieder neue Beiträge gibt.